Fakten

Die Verwaltung umgeht den Stadtratsbeschluss von 2021

Der Stadtrat hat 2021 beschlossen, für das Jahrtausendfeld einen Bebauungsplan aufzusetzen (Beschluss der Ratsversammlung vom 24.02.2021 Vorlage VII-A-01781). Dieser Beschluss wird offenbar durch die Verwaltung umgangen (Verwaltungsstandpunkt VII-P-10243-VSP-01). Dort heißt es:

Die planungsrechtliche Zulässigkeit der angestrebten Entwicklung einschließlich öffentlicher und öffentlich nutzbarer Grün- und Freiflächen kann zum gegenwärtigen Stand nach § 34 Baugesetzbuch geprüft werden.

Dass dies von der Stadt bereits im Februar so geplant war, zeigt diese Präsentation der Stadtverwaltung vom Februar 2024 (S.16) – auch hier wird bereits von einer Bebauung nach §34 gesprochen, obwohl der Stadtratsbeschluss gelten müsste.

Freilich könnte auf dem Feld auch nach §34 gebaut werden, Jedoch wurde der Bebauungsplan im Jahr 2021 – damals noch mit den Stimmen der Grünen – nicht ohne Grund gefordert: nur mit einem Bebauungsplan gibt es die Möglichkeit der Teilhabe für den gewählten Stadtrat (dieser muss dem Plan zustimmen) und für die Bevölkerung (diese kann Stellungnahmen zum Bebauungsplan schreiben, welche in das Planungsvorhaben einbezogen werden müssen).

Unterstützt wird das Vorgehen der Stadtverwaltung durch den Baubürgermeister und Die Grünen. In der Stadtratssitzung vom 22.5.2024 postulierten sie, man wolle erst einmal sehen, wie das Dialogverfahren liefe und dann würde man sehen, ob ein Bebauungsplan benötigt werde. Dieses Vorgehen ist nicht nur unüblich, sondern höchst problematisch. (Darauf hatten wir die Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 hingewiesen.) Überraschenderweise wird die Rede, die am 22.5.2024 von Kristina Weyh im Stadtrat gehalten wurde und auch der von den Grünen eingebrachte Änderungsantrag auf ihrer Website nicht veröffentlicht (andere Reden und Anträge sind dort jedoch eingepflegt). Im Änderungsantrag hieß es noch:

Der Beschluss des Stadtrates vom Februar 2021 zur Aufstellung eines B-Planes für das Jahrtausendfeld gilt. Deshalb muss nach Ende des Dialogverfahrens ohnehin entschieden werden, ob eine Entwicklung des Jahrtausendfelds ohne B-Plan überhaupt tragbar ist und wenn ja, wie dies geschehen kann. […]

Linke und SPD hatten indes ihrerseits wiederholt den bereits beschlossenen Bebauungsplan eingefordert.

Nun sprechen die Grünen davon, dass die Grundstückseigentümerin, die Stadtbau AG, keinen Bebauungsplan wünscht:

Nun müssen wir uns als Stadtrat auch endlich mit dem Jahrtausendfeld und seiner Entwicklung auseinandersetzen und letztlich entscheiden, ob und wie wir gemeinsam mit der Grundstückseigentümerin den gewünschten Weg einer Entwicklung ohne Bebauungsplan gehen können.

Diese dreijährige Verzögerungstaktik, von der Fraktion Die Linke seit 2021 kritisiert, soll nun scheinbar darin münden, den Stadtratsbeschluss von 2021 aufzuheben und dann in aller Geschwindigkeit ein überdimensioniertes Bauvorhaben durchzuwinken.

Leipzig ist ja dafür bekannt, Investoren und Eigentümern einen roten Teppich auszurollen. In Anbetracht der Bedarfe des Viertels ist dieses Vorgehen jedoch mindestens als undemokratisch einzustufen.

Das Bürger:innenbeteilungsverfahren ist eine Farce

Die vorgeschobene Bürger:innenbeteiligung stellt alle Beteiligten vor vollendete Tatsachen. So ließ das Stadtplanungsamt schon in der Auftaktveranstaltung im Februar 2024 verlauten, dass die Bebauung an sich und die Größe der Schule nicht verhandelbar seien.

Das Verfahren wurde der Öffentlichkeit Ende Februar angekündigt – nur drei Termine wurden angesetzt. Erste architektionische Entwürfe für den Ort sollten schon Mitte Juni produziert und veröffentlicht werden.

Die Termine der Workshops und Ergebnispräsentationen überschneiden sich mit Terminen der Ratsversammlung. Teilweise haben Stadträt:innen lediglich eine Nacht Zeit, sich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen.

Die SPD kritisierte das Verfahren als

Pseudo-Beteiligung im Eilverfahren, hastig eingetaktet ins Auslobungsverfahren der Stadtbau AG

Es entsteht wiederholt der Eindruck, dass das Bauvorhaben mit allen Mitteln und möglichst schnell über die Bühne gebracht werden soll – möglichst ohne Widerspruch und ohne Teilhabe der Lindenauer und Plagwitzer Bevölkerung.

Die Leipziger Umweltverbände waren nicht Teil des Verfahrens bzw. sind vorzeitig aus dem Verfahren ausgestiegen

Der Leipziger Umweltverband Ökolöwe hat die Teilnahme am Dialogverfahren von Anfang an verweigert. Dazu schreibt er:

Wir Ökolöwen stellten bei der Veranstaltung sofort klar, dass wir uns an dem Dialogverfahren nicht beteiligen werden. Es war für uns absehbar, dass hier kein echter Dialog zustande kommen würde. Denn die LIS rückt keinen Zentimeter von ihrer geplanten überdimensionierten Baumasse ab. Im Verfahren sollte lediglich darüber entschieden werden, WIE die Bebauung aussehen soll.

Außerdem fordert der Ökolöwe ebenfalls das Bebauungsplanverfahren, den Erhalt und die Aufwertung des Jahrtausendfelds als Grünfläche sowie eine ganzheitliche Strategie gegen den Grünschwund in Leipzig.

Auch der BUND Leipzig wehrt sich gegen die komplette Bebauung des Jahrtausendfeld und kritisiert die wiederholten Totalrodungen des Felds in den letzten Jahren. Der BUND Leipzig ist aus dem Dialogverfahren ausgestiegen weil

Der Bauumfang auf dem Jahrtausendfeld bereits vorher fest [stand] und die Möglichkeiten der Grünflächengestaltung sind enorm begrenzt. Daher haben wir erkennen müssen, dass unsere Möglichkeiten der Einflussnahme in diesem Beteiligungsformat sehr begrenzt sind. […] Das zu erwartende Ergebnis wollen wir als Umweltverband nicht mittragen.

Zuguterletzt fordert der BUND Leipzig einen qualifizierten Bebauungsplan mit Öffentlichkeitsbeteiligung für das Jahrtausendfeld. Im B-Plan sollen klimabedeutsame Flächenanteile von Bebauung freigehalten und begrünt werden. Gleichzeitig soll ein Anteil der Fläche als öffentliche Grünfläche gestaltet werden, welche in Größe und Ausstattung dem Bedarf im Stadtteil entspricht.

Unsere Stellungnahme zu den 3 ausgewählten Entwürfen könnt ihr hier lesen.