Anfang 2024 wurde bekannt, dass die Stadtbau AG auf dem Jahrtausendfeld eine private Schule für 2000 Schüler:innen und geschätzte 400 Angestellte mit einer Sechs-Feld-Sporthalle, einer Tribüne für 1000 Personen und zwei Großküchen errichten will. Das Feld, welches in der Stadtklimaanalyse als besonders schützenswerte Grünfläche markiert ist, deren Bebauung grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte, ist eine der letzten unbebauten Freiflächen im stark versiegelten Leipziger Westen. Tatsächlich sind in den letzten Jahren alle anderen Brachen im nahen Umfeld zugebaut worden, eine weitere Grünfläche soll bald mit einem Parkhaus bebaut werden.


Die Fläche zwischen Gießerstrasse und Karl-Heine-Kanal liegt seit 30 Jahren brach und erhielt ihren Namen durch eine Kunstaktion der Schaubühne Lindenfels im Jahr 2000, welche so identitätsstiftend war, dass heute jede:r im Westen die Fläche nur noch als Jahrtausendfeld kennt. Es verwundert wenig, dass die geplante Bebauung die Kritik der Stadtgesellschaft und der Umweltverbände, unterstützt durch die Fraktionen SPD, Die Linke und Die Partei hervorrief. Eine Petition, die über 7000 Unterschriften sammelte, forderte einen „Stadtteilpark für alle!“ Die Fraktionen machten darauf aufmerksam, dass bereits ein Bebauungsplanbeschluss vorliege, der jedoch, so Die Linke, 3 Jahre lang verschleppt worden sei. Nach langem Hin und Her beschloss der Stadtrat im Januar 2025 erneut die Aufstellung eines Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren jedoch ist auch dort die Möglichkeit verankert, dass dieser unter bestimmten Umständen hinfällig werden könnte.
Ein Bebauungsplan setzt rechtsverbindlich fest, was und in welchem Umfang auf einer Fläche gebaut werden kann. Dies gilt auch für Flächen in privater Hand. Die Entwicklung von Flächen, die mit einem Bebauungsplan belegt werden, dauert oft länger, da Umweltbelange geprüft werden müssen und eine Bürgerbeteiligung zwingend notwendig ist. Die Beteiligung beinhaltet eine Frist, bis zu deren Ende Bürger:innen, aber auch zivilrechtliche Verbände und Gruppen Stellungnahmen schreiben können. Außerdem muss jeder Bebauungsplan durch den Stadtrat abgesegnet werden. Bei einem beschleunigten Bebauungsplan, wie er im Falle des Jahrtausendfelds angedacht wurde und sich in Aufstellung befindet, fällt die Umweltprüfung jedoch weg, was von der Bürgerinitiative „Jahrtausendfeld retten!“ und dem Umweltverband Ökolöwe heftig kritisiert wurde.
Nun wurde aus Gesprächen mit Personen aus dem Stadtplanungsamt ersichtlich, dass die Eigentümerin des Jahrtausendfelds mittlerweile eine Bauvoranfrage gestellt hat. Inwiefern der Bebauungsplan damit hinfällig würde, bleibt unklar. Sollte die Anfrage durch das Bauordnungsamt positiv oder, zum Beipiel durch Langsamkeit des Amts, nicht innerhalb von 3 Monaten beantwortet werden, dürfte die Eigentümerin vermutlich ohne Umweltprüfung und ohne weitere Bürgerbeteiligung bauen. Es ist anzunehmen, dass der Bebauungsplan dadurch aufgehoben werden könnte. Der genaue Zeitpunkt der Anfrage ist bisher nicht bekannt. Es bleibt daher unklar, wann die Dreimonatsfrist verstreicht.
Auch ist nicht öffentlich bekannt, für welche Baumasse die Anfrage gestellt wurde. Wurde das Bauvorhaben anfangs noch für 2000 Schüler:innen und geschätzte 400 Angestellte geplant, versprach man im Sommer 2024 eine Reduktion der Baumasse auf 1600 Schüler:innen und geschätzte 340 Angestellte. Jedoch zeigten auch die veröffentlichten Informationen zum Bebauungsplan im März 2025 trotz dieses Versprechens noch immer die alten Entwürfe, die für 2000 Schüler:innen geplant waren. Insgesamt wurden 355 Stellungnahmen zu diesem Planungsstand abgegeben.
Das sogenannte Qualifizierungsverfahren, bei dem 3 ausgewählte Architektur- und Landschaftsplanungsbüros Entwürfe für die Fläche erstellten, sollte ursprünglich in zwei Phasen ablaufen. Die Entwürfe aus Phase 1 wurden der Stadtgesellschaft im August 2024 präsentiert. Danach sollte das Verfahren weiter laufen und in eine zweite Phase gehen, in der Kritik und Anregungen aufgenommen und die Baumasse auf 1600 Schüler:innen angepasst werden sollte. Diese Phase sollte im Dezember 2024 abgeschlossen sein. Schlussendlich sollte die Jury Ende Januar über den Siegerentwurf entscheiden.
Das kündigte die Website der Stadt Leipzig bis vor kurzem noch unter der Überschrift „Nächste Schritte“ an.

Doch hat die Stadt Leipzig diese Informationen auf der Website vermutlich bereits am 13. Februar 2025 gelöscht.


Auch versprach die Bauherrin in einer nicht-öffentlichen Absichtserklärung mit der Stadt Leipzig, dass eine öffentliche Grünfläche auf dem Jahrtausendfeld entstehen könne. Diese sollte aus zwei Teilflächen bestehen: 3000m² würde die Stadtbau AG der Kommune übereignen, 2500m² gehören der Gesellschaft für Entsorgung und Sanierung von Altlasten (GESA). Bei letzterer handelt es sich um bodenverseuchte Fläche, bei der unklar bleibt, wer deren Sanierungskosten übernehmen soll. Die Bauherrin sieht sich nicht in der Pflicht. Der Ökolöwe bezeichnete die versprochene Fläche als „Alibi-Grünstreifen“. In der Absichtserklärung errechnete man, dass mit dem asphaltierten Weg, der bereits der Stadt Leipzig gehört, und der geschützten und nicht öffentlich nutzbaren Uferböschung eine fast 8800m² Grünfläche entstünde. Die Bürgerinitiative „Jahrtausendfeld retten!“ kritisierte die Rechnung als „faulen Deal“.

So wie die Absichtserklärung aus dem Januar 2025 bereits hinter verschlossenen Türen zwischen Stadt und Eigentümerin ausgehandelt wurde, so erscheint auch das derzeitige Vorgehen in der Angelegenheit mindestens als intransparent.
Es bleibt zu hoffen, dass die bisher geäußerte Kritik am Bauvorhaben tatsächlich Einfluß auf das weitere Vorgehen im Verfahren findet. Immer wieder haben Anwohner:innen, Umweltverbände und Bürgerinitiative auch auf die schwierige Verkehrssituation hingewiesen, die durch den zu erwartenden Hol- und Bringeverkehr gar chaotisch werden könnte, auch und insbesondere wenn dieser in den verkehrsberuhigten Nebenstraßen stattfindet. Es ist zu vermuten, dass die Stadtbau AG das Verkehrskonzept und weitere Nachweise erst in Auftrag geben wird, wenn die Bauvoranfrage positiv beschieden wird. Dann jedoch hat das Viertel keine andere Wahl mehr als mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen und dessen Auswirkungen, insbesondere Stau, Lärm und verringerter Luftqualität, zurechtkommen zu müssen.