Als die Stadt Leipzig, gemeinsam mit der Leipzig International School (LIS) im Februar 2024 über die geplante Bebauung des Jahrtausendfelds informierte, stellte man enthusiastisch in Aussicht, dass Räumlichkeiten und Außenanlagen außerschulisch genutzt werden könnten. Eine freundliche Dame einer öffentlichen Schule im Osten der Stadt pries an, wie gut dies in ihrer Schule funktionieren würde. Von nun an, immer wenn Kritik am Bauvorhaben geäußert wurde, kramte man als Argument hervor, dass die Räumlichkeiten doch von der Leipziger Stadtgesellschaft mitgenutzt werden könnten. Doch wie steht es wirklich um eine derartige Mitnutzung? Für wen wäre sie überhaupt möglich und wann? Und wäre die Mitnutzung von Dauer?
Zeitlicher Rahmen
Generell ist eine Mitnutzung schulischer Räumlichkeiten und Außenflächen durch Dritte erst nach Schulschluss möglich. Da die LIS eine Ganztagsschule ist, wäre dies vermutlich relativ spät. Auch in der benachbarten Grundschule Gießerstraße erfolgt die Mitnutzung des Sportplatzes unter der Woche erst nach 17 Uhr – wenn der Hort geschlossen ist.
Rechtliche und versicherungstechnische Situation
Die Mitnutzung von schulischen Räumen durch Dritte ist auch an öffentlichen Schulen in allen Bundesländern mittlerweile gang und gebe. Dritte sind zuvorderst anerkannte Vereine, Religionsgemeinschaften, sowie gewerbliche oder kommerzielle, selten individuelle, Nutzer.
Für die Mitnutzung wird oft ein Entgelt erhoben. Dabei werden zumeist Verträge aufgesetzt, zum Beispiel mit einem Sportverein für die wöchentliche Nutzung einer Sporthalle. In den Verträgen wird auch bestimmt, wer für Beschädigungen und Schäden wie Feuer haftet: Meist ist dies der Vertragsnehmende, in unserem Beispiel wäre das der Sportverein. Außerdem würde in einem derartigen Vertrag beschrieben werden, was als Vertragsbruch gilt – zum Beispiel die unsachgemäße Nutzung der Räumlichkeit. In so einem Falle wäre der Vertrag aufgehoben und die außerschulischen Mitnutzer:innen von einer weiteren Nutzung ausgeschlossen.
Nutzung von Außenflächen und Zäune
Schulen, insbesondere Grundschulen müssen durch Zäune gesichert sein. Wenn man genau hinschaut, sieht man in den Entwürfen der Architekturbüros überall Zäune. Besonders deutlich werden die Zäune sowie die geringe Größe einer tatsächlich öffentlichen Fläche im Entwurf von Dohle und Lose / Blaurock. (Auch bei den beiden anderen Jury-Favoriten lohnt es sich, genauer hinzusehen, wo Zäune verlaufen und ob das, was dort grün erscheint tatsächlich auch eine öffentliche Fläche ist.)

Die im Entwurf von uns farblich markierte GESA-Fläche ist in der Realität noch etwas breiter; dass hier einmal Bäume stehen werden, ist Augenwischerei – wie wir bereits analysierten. Man sieht deutlich, dass der größte Teil des Felds umzäunt wäre und die vorgesehene öffentliche Grünfläche minimal ist. Sie ist tatsächlich so klein, dass man sie zu Fuß in ca. 3 Minuten umrundet hätte.
Als Randnotiz zu nennen ist auch der Fakt, dass sämtlicher Liefer- und Elterntaxiverkehr in diesem Entwurf scheinbar über die Gießerstraße geplant ist – was nicht nur der Elternrat der öffentlichen Grundschule Gießerstraße als hochgradig problematisch ablehnt.
Bei einer vertraglich vereinbarten Mitnutzung von Außenflächen würde ein Sicherheitsdienst die Zäune abends zuschließen. So wird dies beispielsweise für die außerschulische Nutzung des Sportplatzes der Grundschule Gießerstraße gehandhabt. Was würde passieren, wenn, beispielsweise, in der Zeit der außerschulischen Mitnutzung Drogen auf der Fläche konsumiert werden würden? Wenn gar Hinterlassenschaften davon am nächsten Tag auf dem Schulhof zu finden wären? Oder wenn obdachlose Menschen Unterschlupf auf der Fläche suchen würden? Wenn eine Wand besprüht werden würde, ein Fenster zu Bruch ginge? Die LIS ist eine Privatschule und hat alleinig das Hausrecht. Sie könnte jederzeit die Mitnutzung der Flächen aufheben – schließlich gehen die Sicherheit der Schüler:innen und der sichere Schulbetrieb vor. Das Versprechen der Mitnutzung wäre in diesen, nicht sonderlich abwegigen Beispielen, also nicht von Dauer.
Mitnutzung kann den öffentlichen Raum nicht ersetzen
Mitnutzung kann niemals einen öffentlichen Raum ersetzen. Dieser ist für alle und immer zugänglich und kann in einem gewissen Rahmen auch mitgestaltet werden. Es sind diese Flächen, derer die Stadt bedarf, möglichst biodivers entwickelt, nicht nur um den Menschen in der Stadt, ihrem Erholungsbedarf und dem Bedarf nach Grün und Kühlung gerecht zu werden. Denn zu einer lebenswerten, zukunftsfähigen Stadt gehören auch Pflanzen und Tiere, Insekten, Amphibien, Vögel und Kleinsäuger.
Eine außerschulische Mitnutzung ist aus genannten Gründen auf lange Sicht weder leistbar noch wirklich zukunftsfähig. Mitnutzung weiterhin als Argument für den Schulneubau zu bedienen, halten wir deshalb für hochgradig zweifelhaft.